Donnerstag, 19. Januar 2012

Schmerzgedächtnis gelöscht – im Experiment

Schmerzforscher der Medizinischen Universität Wien und der Universitätsmedizin Mannheim konnten bei Ratten mit einer hoch dosierten Gabe von Opioiden ein „frisch gespurtes“ Schmerzgedächtnis löschen. Die Untersuchungen wurden an den Tieren in tiefer Narkose durchgeführt. Bei dem Experiment erregten die Wissenschaftler kontrolliert Schmerzfasern der Tiere. Diese Stimulation der Schmerzfasern führt dazu, dass nach einiger Zeit die Übertragung der Signale zwischen den Nervenzellen im Rückenmark verstärkt wird – die Empfindlichkeit der schmerzverarbeitenden Nervenzellen für einlaufende Impulse nimmt zu. So bildet sich das „Schmerzgedächtnis“.

Durch die hochdosierte, intravenöse Gabe eines Opioids über längere Zeit konnten die Wissenschaftler um Professor Jürgen Sandkühler diese Potenzierung vollständig aufheben. Die zelluläre Gedächtnisspur im Rückenmark wurde gelöscht. Allerdings überprüften die Forscher bislang nur die Opioidgabe innerhalb der ersten sechs Stunden nach Beginn der Schmerzreizung, also dann, wenn die innerzellulären Veränderungen noch frisch sind. Darum ist unklar, ob dieses Prinzip gegen bereits länger bestehenden chronischen Schmerz überhaupt wirksam sein kann. Vor allem lassen sich die Ergebnisse von Labor-Experimenten nicht einfach auf den Menschen übertragen. Darum planen die Wissenschaftler nun erste klinische Studien mit Schmerzpatienten.

Professor Jürgen Sandkühler ist Träger des Ehrenpreises des Deutschen Schmerzpreises 2010.